Der Umweg über die Abkürzung

Wer erinnert sich noch, wie die Kassenzettel früher ausgesehen haben? Nackte Zahlen in Reih und Glied, darunter das Total. Bestenfalls noch ein Datum, vielleicht die Adresse des Ladens. Das war’s. Man hatte keine Ahnung, wofür man sein Geld hinblätterte.

Heute ist das anders. Dank neusten Technologien ist der Kassenzettel längst zum Werbeträger mutiert, dient gleichzeitig als Garantieschein, veranschaulicht einem, wie viel Kohle man durch Aktionen gespart hat und lässt sich ohnehin mit sämtlichen gewünschten Angaben seitens des Anbieters bedrucken. Es gibt allerdings Ausnahmen…

IMG_8048

RAM A’SCH NT 50CL – irgend eine Ahnung, was das sein könnte?

oder FLOR VZ BU BE 200G

EDELWYSS WEICHK 160G lässt sich noch einigermassen nachvollziehen.

Aber was bitte ist WALD. FELS SU P 180G

Mit der GEMÜ/SALA/FRÜ WAAGE übrigens habe ich weder Gemüse noch Salat, sondern Aprikosen gekauft.

Wer mag miträtseln, was ich da für Produkte gekauft habe?

Zucchetti-Schwemme

Sie sind unter Gärtnern berühmt-berüchtigt. Wenn man nicht höllisch aufpasst, wird aus dem zierlichen Stängelchen innert kürzester Zeit eine Waffe. Zucchetti (oder Zucchini, wie sie wohl ausserhalb Helvetiens genannt werden), wachsen in nahezu jedem Garten. Und nahezu jeder Gärtner weiss sich früher oder später ihrer nicht mehr zu erwehren. Der Begriff “Zucchetti-Schwemme” wird jeden Sommer von neuem von jedem Kochmagazin aufgegriffen, um dem Gemüse einen würdigen Auftritt auf dem Teller zu verschaffen.

Leider hat die Wortschöpfung in jüngster Zeit für mich eine völlig neue Bedeutung erhalten. Auf einem grossen Acker in unserer Nähe, den sich ein Grossproduzent, der auch die Migros beliefert, unter den Nagel gerissen hat, wachsen unter anderem auch Zucchetti. Ein Spaziergang führte mich kürzlich daran vorbei und was ich sah, stimmte mich – zurückhaltend ausgedrückt – etwas nachdenklich.

Alle Zucchetti, die nicht der aberwitzigen Vorgabe einer Norm entsprechen, werden ausgebrochen und liegen gelassen. Zu dick? Weg mit dir! Zu krum? Du hast nichts in der perfekten Gemüseauslage verloren! Zu lang? Du passt nicht in die vorgesehene Kiste!

IMG_3237

Massenhaft liegen die Zucchetti zwischen den Reihen. Hey, das sind produzierte Lebensmittel! Deren Anzucht hat Ressourcen verbraucht! Wirft man die einfach so weg? Ich fasse es nicht. Wäre ich dagegen so dreist, eine Zucchetti mitzunehmen, so käme das faktisch einem Diebstahl gleich.

IMG_3239

Definitiv sauer aufgestossen sind mir dann aber die Zucchetti auf dem abgeernteten Feld ein paar Meter weiter. Da soll mir doch keiner weismachen, dass dieser zerrissene Plastik im Herbst wieder vollständig entfernt wird!!!

IMG_3242

Da lobe ich mir meinen privaten Gemüse-Lieferanten. Er würde seine Zucchetti nie und nimmer SO GROSS WERDEN lassen, bringt sie mir sogar an die Haustüre und veranstaltet garantiert keine Plastik-Schweinerei in seinem Schrebergarten.

Blumen oder Gemüse?

Heute war es ja nicht wirklich schwierig, den Frühling zu spüren. Temperaturen von nahezu 20 Grad trieben einem den Schweiss auf die Stirn und man hörte förmlich das Gras wachsen.

Da für morgen schon wieder Schnee bis vor die Haustür angesagt ist, habe ich mir ausserdem den Frühling heim geholt. In der Form von drei Primeln, die ich in einem Topf vor dem Fensterbrett platziert habe.

In Sachen Geld ausgeben bin ich ein sehr gewissenhafter Mensch, deshalb habe ich mir anschliessend die Quittung etwas genauer angeschaut. Bei uns gibt es üblicherweise zwei verschiedene Mehrwertsteuer-Sätze, die bei Ausgaben im Supermarkt zur Anwendung kommen. Lebensmittel werden mit 2,5 Prozent besteuert, alles andere, so dachte ich bis jetzt jedenfalls,  mit 8,0 Prozent.

In die Kategorie “alles andere” fielen bei mir heute Wein, Toilettenpapier und Waschmittel. Nicht aber die Primeln. Die Frühlingsboten wurden mit 2,5 Prozent MWSt abgerechnet. Ich google schon mal nach geeigneten Rezepten.

DSC02281

Ladehemmungen

Wenn es darum geht, Sachen einzumachen, bin ich mitunter nicht zu bremsen. Konfitüre kochen, Essig ansetzen, Pilze trocknen, nichts ist vor mir sicher. Manchmal bin ich in meiner Euphorie nicht zu bremsen. Da drücken meine Eichhörnchen-Gene voll durch.

Und dann? Dann lagert das Zeugs. In Flaschen, Gläsern, Plastikbeuteln steht, liegt oder lümmelt es im Keller oder Gefrierschrank. Soweit noch alles im grünen Bereich. Doch wenn es darum geht, die Lebensmittel aufzubrauchen, habe ich regelrechte Ladehemmungen. Es kann ja nicht sein, dass ich die Aprikosen-Konfitüre, die ich vor einer Woche erst eingemacht habe, heute schon brauche, oder? Und die eingelegten Pfirsiche sind im Winter sicher viel begehrter als im August. So meine Denkensweise. Dass die diversen Vorräte durchs Lagern nicht besser werden, ist mir durchaus bewusst.

Und so tauchen im Hause Flohnmobil plötzlich zur Unzeit Sachen auf, die aufgebraucht werden sollten. Meinem  innig geliebten Mitbewohner entgeht so etwas nicht. Dass die Steinpilze, die es gestern in einer beinahe verzweifelten Tat zum Nachtessen gab, nicht direkt aus dem Wald in den Teller gekommen sein können, war seinem Scharfsinn nicht entgangen. Geschmeckt haben die Pilzli übrigens trotzdem. Und wenn mich nicht alles täuscht, kann ich schon bald wieder neue einfrieren, trocknen, einlegen, pulverisieren.

steipilz

Durch meine Denkensweisen werden meine kostbaren Vorräte beinahe zu Denkenswaisen. Habt ihr auch so ein Leiden?

Frisch von der Scholle

Ich habe es hier bestimmt schon mal erwähnt. Aber egal, es gilt noch immer: Ich gehe für mein Leben gerne auf Märkte. Das quirlige Treiben, die Stände mit all den Leckereien. Erntefrisches Gemüse, Fisch, Eingemachtes, Honig, Wurstwaren, Oliven, Kleider, Gewürze, Körbe, Lederwaren, Schmuck. Ich schau einfach gerne hin. Kaufen tue ich nur selten etwas, das nicht essbar ist. Das hat wohl den Grund, dass das mit dem Anprobieren auf einem Markt etwas umständlich, wenn nicht gar unmöglich ist.

Bei frischem Obst und Gemüse dagegen, da kann ich mich kaum zurückhalten und bin akut gefährdet, mehr einzukaufen, als mein innig geliebter Mitbewohner und ich vernünftigerweise verwerten können. Hier in der Provence gibt es Bauernmärkte, die bieten nur das an, was die Scholle gerade hergibt. Also nichts Zugekauftes, nur damit das Angebot vollständig ist. Eine kleine Aufzählung dessen, was derzeit feilgeboten wird:

Kirschen, Erdbeeren, Pfirsiche, Cavaillon-Melonen (kein Wunder, Cavaillon ist ja nicht weit von hier…), Aprikosen.

Kefen, Salatköpfe, Radieschen, Spargel, Coeur-de-Boeuf Tomaten, Krautstiel, Mangold, Saubohnen, Zucchini, Kohlrabi, Knoblauch, Buschbohnen, Kartoffeln, Randen, Erbsen, Kräuter.

Daneben gibt es auch noch Stände, an denen Eier, Brote, Wein, Honig, Schaf- und Ziegenkäse (Kühe sucht der Schweizer hier vergebens), Olivenöl, Blumen- und Gemüsesetzlinge verkauft werden. Was allerdings der Fischstand, den wir heute auf dem Wochenmarkt angetroffen hatten, hier streng rechtlich betrachtet zu suchen hatte, bleibt mir ein Rätsel. Am Luberon gibt es keine permanenten Gewässer. Sieht man mal von den Swimming-Pools ab, die bei praktisch jedem Haus zu finden sind.

Vorgesorgt

Das Eichhörnchen war den ganzen Sommer über fleissig gewesen. Es hatte Beeren gesammelt, Nüsse, Pilze. Keine Aktion in der Migros hatte es ausgelassen, Kürbisstände hatten es geradezu magisch angezogen. Sein Männchen war auch nicht untätig geblieben und hatte allerhand Getier aus dem nahen See herangeschleppt. Währenddessen hatte sich das Weibchen Einmachmethoden angeeignet, die seinesgleichen sonst nicht anwendete, aber was sollte man denn machen, wenn das Angebot derart üppig war und der Bau so weit entfernt lag? Da musste man doch etwas kreativ sein!

Im Grunde genommen war das Eichhörnchen leidlich zufrieden mit dem Resultat seiner in halb Europa erfolgten Sammelaktionen. Wäre da nicht noch das eine oder andere Etwas in seinem üppig gefüllten Speicher, das dort schon Geburtstag feierte. Man konnte sie vergraben wie und wo man wollte, aus Johannisbeer-Gelée, eingelegten Kürbisstückchen oder Trockenpilzen wuchsen beim besten Willen keine Bäume heran.

Der falsche Fisch

Wenn ich zum Einkaufen gehe, halte ich mich mehr oder weniger an meine Einkaufsliste. Nichts desto trotz lasse ich mich – genau so wie es die Marketing-Experten vorgesehen haben – vom aktuellen Angebot verleiten und kaufe gelegentlich etwas, das nicht vorgesehen war. Ist mein innig geliebter Mitbewohner mit von der Partie – er darf dann in der Regel das Wägeli durch die Migros schieben – wird meine Einkaufsliste normalerweise in nullkommanichts zu Altpapier. Makulatur.

Daran habe ich mich gewöhnt und auch die nötige Flexibilität, um während des Einkaufens flugs den Speiseplan zu ändern. Heute aber, heute hat der Mitbewohner den Vogel, pardon Fisch, abgeschossen.

Kauft der Kerl doch zwei Birnen. Wäre ja nicht weiter schlimm, wären es nicht Forellen Birnen! Habe ich noch nie gehört, musste ich sofort googeln. Dabei habe ich herausgefunden, dass es sich um eine alte Birnensorte handelt. Und die Bezeichnung „Forelle“ stammt nicht etwa daher, dass die Birne statt einem Kerngehäuse Gräten hat, nein, ihren Namen hat die Birne den Pünktchen auf ihrer Haut zu verdanken. Etwas Fantasie vorausgesetzt, kann man also nachvollziehen, weshalb die Birne einen fischigen Namen erhalten hat.

Trotzdem, wäre ich diese Birne, ich würde subito eine Namensänderung beantragen. Birne mit Fischnamen, geht nun wirklich nicht! Ich esse ja auch kein Petersilien-Eis oder Knoblauch-Schokolade. Und schon gar keine Salami-Bananen oder Poulet-Käse.

Der Bio-Schwachsinn

Biologische Lebensmittel – so hört man immer wieder – liegen im Trend. Artgerechte Tierhaltung, keine Verwendung von Pestiziden und Kunstdünger, Landwirtschaft im Einklang mit der Natur. So und ähnlich werden gegenüber den Kunden die Preise der zum Teil massiv teureren Bio-Produkte gerechtfertigt.

Ich stehe offen dazu: Ich kaufe keine Bio-Lebensmittel. Ich sehe keinen Vorteil darin, im Dezember Bio-Zucchetti oder Bio-Tomaten aus Marokko zu kaufen. Beides habe ich heute bei Coop gesehen und beide Gemüse haben im Sommer Saison, bestenfalls noch im Herbst, aber sicher nicht jetzt. Und was ist noch Bio an Buchweizen, der aus China importiert wurde? Oder an Endivien-Salat aus Spanien. Wurde das Grünzeug – übrigens etwas vom wenigen, das auch ein Hobby-Gärtner noch im Dezember vom eigenen Garten verzehren kann – vielleicht mit einem Bio-Futter fressenden Esel quer durch halb Europa transportiert?

Kürzlich habe ich am Radio gehört, dass unser Land, das auf einem regelrechten Butterberg hockt, Bio-Butter importieren muss. Das ist doch Schwachsinn! Und wenn ich heute gelesen habe, dass in Italien 700’000 Tonnen konventionell produzierter Lebensmittel als Bio-Produkte verkauft wurden, kann ich nur sagen: musste ja mal so kommen.

Mir stösst es auch sauer auf, wenn jemand konsequent auf der Bio-Welle reiten will, im gleichen Atemzug aber wegen zwei, drei Bio-Brötchen den Backofen zehn Minuten vorheizt. Das Argument „wir haben keinen Atom-Strom mehr“ versandet dabei in meinem müden Lächeln.

Statt mit aller Sturheit Bio-Produkte zu kaufen, finde ich es viel wichtiger, dass man saisongerecht einkauft. Ich weiss, wann welches Gemüse Saison hat. Bei mir kommen im ganzen Winterhalbjahr keine frischen Tomaten auf den Tisch. Ich wundere mich nicht, wenn ich im März keine Trauben kaufen kann und das Januar-Kopfsalätchen vor lauter Schrecken schon im Einkaufskorb die Schraube macht.

Aber natürlich lasse ich mich zwischendurch auch mal verleiten, beispielsweise eine Avocado oder Mango zu kaufen. Die haben in Gottes Namen bei uns nie Saison. Auch Zitronen zum Backen lasse ich mir nicht nehmen. Denn den ganzen Winter von getrockneten Apfel- und Birnenschnitzen leben mag ich nun doch auch wieder nicht.

So, und nun werde ich saisongerecht Sauerkraut in die Pfanne hauen.