Die Bildungslücke

In meiner Zeit als Teenager begann ich mich plötzlich fürchterlich und umfassend für eine bestimmte Popgruppe zu interessieren. Und weil ich so uneingeschränkt Fan der fünf schmalbrüstigen Schotten war, wollte ich auch unbedingt wissen, was sie sangen. Ich begann, die Wörter im Langenscheidts nachzuschauen. Es dauerte nicht lange, und ich musste klein beigeben. In meinem Wörterbuch stand zwar die Übersetzung der einzelnen Wörter, einen Sinn ergaben die aneinander gereihten Begriffe für mich nur in den wenigsten Fällen. Und dies hatte wohl nicht nur damit zu tun, dass einige Wörter so dreist waren, konjugiert zu sein. Mein Entschluss reifte: Ich musste Englisch lernen.

Das war lange vor der Zeit der heftigen Diskussionen in unserem Land über Frühfranzösisch und Kindergartenenglisch. Französisch war damals ab der 7. Klasse obligatorisch, Englisch konnte man erst in der 9. Klasse als Freifach belegen. In meiner grossen Not sah ich Rettung in einem Buch. „Englisch in 30 Tagen“ hiess es. Und es ver-hiess, dass ich in 30 Tagen Englisch lernen würde. Ich rechnete mir aus, dass die Frühlingsferien lange genug waren, dass ich wenigstens die Hälfte des Buches durchackern konnte. Dann würde ich doch schon zumindest zur Hälfte Englisch können. Die Wahrheit sah selbstverständlich anders aus…

Längst weiss ich, dass es einiges mehr als 30 Tage dauert, bis man eine Sprache beherrscht. Man kann Fremdsprachen nicht kaufen, sie stehen nicht als Fertigmenü in der Kühlvitrine. Hinter dem Erlernen einer Fremdsprache steckt harte Arbeit.

Ich weiss auch, dass Fremdsprachen eminent wichtig sind. Deshalb war für mich klar, dass ich Spanisch lernen musste, bevor wir seinerzeit mit dem Camper von den USA aus nach Mexiko reisen konnten. So brachte ich mir Spanisch unterwegs bei. Es hatte mich zwar einiges an Disziplin gekostet, in Anbetracht der Rocky Mountains etwa oder entlang des Alaska Highways meine Vokabeln zu pauken. Aber es hatte sich gelohnt. Ich konnte mich verständigen, sei es mit dem fiesen korrupten Polizeibeamten in Mexiko, einem Marineoffizier, der einem ganzen Dorf dank uns wieder zu Strom verhalf oder – viel wichtiger noch – mit dem gemeinen Volk.

Die Technik hat natürlich nicht geschlafen. Online Übersetzer und Apps bieten uns mittlerweile Unterstützung an. Ich habe keine Erfahrung damit. Jemand von euch vielleicht?