Der direkte Draht zu Frau Holle

Der Frühling. Bei Jedem löst er etwas aus. Bestimmt. Aber nicht bei Jedem das Gleiche.

Man fühlt sich plötzlich berufen, die Fensterscheiben vom Dreck des Winters zu befreien (z.B. Frau Flohnmobil). Der Verlockung von Erdbeeren kann man nicht widerstehen, obschon man genau weiss, dass sie noch weit von ihrer geschmacklichen Höchstform entfernt sind. Oder man merkt, dass die Autoindustrie auch Sommerreifen produziert (es sei hier stellvertretend Herr Flohnmobil aufgeführt). Man buddelt wie eine Wühlmaus im Garten rum (u.a. Familie Flohnmobil). Durchs die offenen Fenster lässt man ganze Strassenzüge an seiner automobilen Bum-Bum-Musik teilhaben. Noch besser: Man hat ein Cabrio, dann hält gar nichts mehr die akustische Umweltverschmutzung auf. Oder man stellt vom dicken Winter- aufs leichtere Sommerduvet um, so wie jüngst im Hause Flohnmobil geschehen.

In Abwandlung des letzten Punkts hat ein Nachbar bei uns im Quartier eine ganz eigene Methode entwickelt, um seinen Frühlingsgefühlen Ausdruck zu verleihen. Er hat zu rechtschaffener Morgenstund seinen Bettinhalt übers Fenstersims gehängt. Am Vormittag durfte man noch davon ausgehen, dass im Inneren der Wohnung ein grösserer Frühlingsputz stattfand, der mit gründlichem Lüften einher ging. Als das Bettzeug am Mittag immer noch dort hing, kamen erste Zweifel auf. Und als am frühen Abend der Regen einsetzte, und sich das Fenster immer noch wie auf dem Bild unten präsentierte, wussten wir, dass dass es im Schlafzimmer nicht nur sehr kalt sein musste (es geschah am letzten Samstag, als das Thermometer nicht über 9 Grad kletterte), sondern….

… aber das überlasse ich eurer Fantasie. Jedenfalls war es schon dunkel, als ich – man ist ja eine Frau und als solche etwas neugierig – nochmals einen Blick quer über den Rasen werfen musste, um zu sehen, dass in der Zwischenzeit jemand heim gekommen war. Frau Holles Filiale war verschwunden.

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Schnarchen für Migros

Wir standen an der Kasse, mein innig geliebter Mitbewohner und ich. Nach hartem Feilschen hatten wir uns einigen können: Diese Bettdecke sollte es sein. Dass sich die Auswahl eines geeigneten Federbetts noch als das kleinste aller Übel herausstellen sollte, hatten wir nicht geahnt.

Die Kassiererin verdrehte schon leicht die Augen, als sie meinen Stapel an Cumulus-Bons sah, die ich in den letzten zwei Jahren gehortet hatte, um sie für einen besonderen Zweck auszugeben. Dieser besondere Zweck war hiermit gekommen.

Die Bons, alle im Wert zwischen 5 und 20 Franken, musste die Kassiererin einzeln einscannen. Sie tat das mit stoischer Gelassenheit, was ich ihr hoch anrechnete. Noch bevor sie das jedoch tat, verlangte sie von mir die Cumulus-Karte, denn ohne die geht bekanntlich in der eidgenössischen Einkaufslandschaft nicht viel. Dann hielt ich ihr den Gutschein über 30 Franken hin, den ich kürzlich in der Post hatte. „Dann müssen Sie aber mit der M-Cumulus Kreditkarte bezahlen“, beschied mir das nette Ding hinter der Kasse. Kein Problem, Frau Flohnmobil ist mit allem ausgerüstet, was den täglichen Einkauf in der Migros erträglich macht. Da derzeit alle Bettwaren bei der Migros 20 % günstiger sind (sofern man die ominöse Karte im Portemonnaie mitführt), hätten der Mitbewohner und ich auf die Decke am Ende beinahe noch Herausgeld gekriegt.

Nach so viel Gutscheinen und Sonderangeboten waren wir zu erschöpft, um direkt zum Auto zu gehen. Wir mussten bei einem Espresso erst neue Kräfte mobilisieren. Ich kaufte die zwei Tässchen brauner Brühe und hielt schon das Zehnernötli in der Hand, da fragte mich die Bedienung: „Händsicumuluscharte?“

Die ersten paar Pünktli für die nächste Bettdecke waren bereits wieder auf dem Konto.

Hochspannung

Als Kind war es ja noch ein Abenteuer, auswärts zu schlafen. Das Schlafen kam dabei zwar meist zu kurz, ganz egal, ob man auf einer sich allmählich entleerenden Luftmatratze, einem quietschenden Liegestuhl oder in einem richtigen Bett lag.

Die Einstellung zum damaligen Abenteuer hat sich bei mir über die Jahre radikal geändert, nichts desto trotz, schlafe ich fast überall wie ein Herrgöttli. Mein innig geliebter Mitbewohner behauptet, das sei auf hunderte von Übernachtungen in SAC-Hütten zurückzuführen. Vermutlich hat das wiederkehrende kollektive Schnarchkonzert in einem 30-er Schlag bei mir eine gewisse abhärtende Wirkung hinterlassen.

Beim neusten Abenteuer in Sachen „auswärts Schlafen“ war es so ruhig, wie es nur in einem Bergdorf sein kann, und wenn ein Schnarchen zu hören gewesen wäre, hätte es definitiv vom Mitbewohner stammen müssen. Doch lange bevor es so weit kommen konnte, verabschiedeten wir uns mit einem innigen Gutenachtkuss, kuschelten uns jeder in seine Decke.

Aber wo kam denn diese Lichtquelle her? Das Licht war doch abgedreht.

„Hast du das auch gesehen?“
„Was?“
„Dieses Funken unter der Decke.“
„Das bildest du dir nur ein. Schlaf jetzt.“
„Nein schau, es wird wirklich hell, wenn ich die Decke bewege. Und knistern tut’s auch“

Der Mitbewohner, grundsätzlich alles andere als leichtgläubig und solchen Phänomenen gegenüber stets mit einer nervenden Portion Misstrauen gesegnet, sah es nun endlich auch. Die synthetische Decke versprühte regelrechte Funken durch die Finsternis des Raumes.

Wir brachen in lautes Gelächter aus. Nach 12 Ehejahren schaffen wir es nämlich noch ohne fremde Hilfe, dass es unter unserer Bettdecke knistert.