Heimatliche Gefühle

Nicolaus ist der friedlichere von den beiden Mini-Ebern. Er grunzt wohlig, wenn man ihm über den Rücken streicht. Trotzdem, einen etwas grimmigen Blick hat er schon. Und dieser erinnert mich an etwas. Aber was nur???

Aber ja doch, jetzt weiss ich es!

Da fehlen nur noch die Hörner, und schon hätten wir in Schweden einen Uristier.

Das Ende unserer Jordgubbar-Kur

Sie war nicht geplant, nein ganz gewiss nicht. Es hat sich einfach so ergeben. Aber es hat sich sicher gelohnt, diese Kur zu absolvieren. Und es hat auch überhaupt keine Überwindung gekostet. Weder mein innig geliebter Mitreisender noch ich können uns zurückerinnern, dass wir jemals so viele Jordgubbar gegessen haben. Ob sie gesund sind? Bestimmt! Was so schön rot ist, muss einfach gesund sein. Hierzulande wird es schliesslich häufig gekauft und was so viele Leute machen, kann derart schlecht nicht sein.

Wir haben uns immer wieder gewundert ab der schieren Masse von Jordgubbar, die in Schweden angeboten werden. Buchstäblich an jeder Ecke. Manchmal, wie das folgende Bild zeigt, gleich drei Stände nebeneinander.

Diese Erdbeer-Schwemme hat direkten Einfluss auf den Preis. Hatten wir am Beginn unserer Reise noch 40 Kronen für ein Schächtelchen Jordgubbar bezahlt, ging der Preis im Verlauf der letzten fünf Wochen kontinuierlich auf bis 15 Kronen (gut 2 Franken) runter. Wahrlich ein günstiger Preis in einem Land, das sonst in etwas das gleiche Preisniveau wie die Schweiz hat. Nun ist unsere Jordgubbar-Kur zu Ende. Ich glaube kaum, dass wir zu Hause noch Erdbeeren kaufen können. Und schon gar nicht zu einem solchen Preis.

Schwedische Badefreuden

Wir sitzen gemütlich am Frühstück, die ersten Schauer liegen bereits hinter uns, der Himmel ist verhangen. Unser Übernachtungsplatz liegt an einem idyllischen See, wie es sie in Schweden zu tausenden gibt. Und an fast jedem dieser zum Teil brutal abgelegenen Seen hat es Badestellen. Sie verfügen über eine Liegewiese, einen Badesteg, manchmal sogar einen Sprungturm und eine Rutsche. Immer hat es eine Toilette, manchmal einen Umkleideraum, eine Feuerstelle oder gar einen Kiosk.

Es fährt ein roter Volvo vor. Grosseltern mit drei Buben im Alter von etwa 7 bis 13 Jahren. Alle fünf im Bademantel, ein Kind schwingt voller Vorfreude einen blauen Schwimmring. Wie auf Kommando spurten die drei Junioren los, entledigen sich ihrer Crocs und Bademäntel und stürzen sich mehr oder weniger entschlossen ins Wasser. Mich friert schon beim Zusehen. Wie kalt wird das Wasser wohl sein? Nach den Temperaturen der letzten Tage kaum über 16 Grad. Es windet, beginnt wieder zu regnen und ich bin sowas von froh, dass wir eine Heizung im Wohnmobil haben.

Einem richtigen Schweden macht das kühle Wetter offenbar nichts aus – ausser der Grossmutter. Sie ist die Einzige, die nur von oben nass wird, und sorgt dafür, dass der richtige Bademantel zur richtigen Zeit am Steg hingehalten wird.

Der Spuk dauert zwei Kaffees lang. Die Kinder geben sich ihren Badefreuden hin, als wäre das Wasser 22 und die Luft 32 Grad warm. Dann verschwinden alle wieder im Volvo, der See ist sich selbst überlassen, die aufgescheuchten Gänse wagen sich ans Ufer zurück und setzen ihre Rasenmäh- und Düngeaktion fort.

Ich hatte immer gehofft, das Wetter würde auch einmal so warm, dass ich mich genötigt sähe, in einem Schwedischen See Abkühlung zu suchen. Stets jedoch habe ich die Badeseen nur aus sicherer Warte betrachtet. Sie sind fast alle sehr idyllisch gelegen und eignen sich ausserdem hervorragend als Übernachtungsplatz. Wer einmal an so einem See war, wird sich in einem überfüllten Strandbad an einem Schweizer See wehmütig an Schwedische Badeidyllen zurückerinnern. Etwas weniger vielleicht an die Temperaturen.

Stinkpapier

In Schweden gibt es Wald. Viel Wald. Dementsprechend gibt es in Schweden nicht nur viel Holz, sondern viel Holz. Und das verwenden die Schweden traditionellerweise für verschiedene Sachen.

Sie zimmern daraus die IKEA-Kistli-Möbel.
Das traditionelle schwedische, falun-rote Haus ist aus Holz gebaut.
Und nicht zuletzt beheizen sie mit Holz ihre Häuser.

Und dann wär da noch die Papierindustrie. Gewiss ein wichtiger Wirtschaftszweig hierzulande. Und stets von weither auszumachen. Einerseits an den Holztransportern, die alle in dieselbe Richtung fahren. Und andererseits …. meine Nase weigert sich beinahe, weiterhin mit von der Partie zu sein, während ich diese Zeilen schreibe … wegen dem Gestank. Schon lange bevor man die Fabrikkamine sieht, merkt man am Gestank, dass da wieder ein Ableger von Arctic Paper, oder wie die Firma auch heissen mag, am Werk ist. Meine Nase ordnet diese Duftnote als Konglomerat von – sorry – Scheisse und Sauerkraut ein. Da hilft jeweils nur eines: Ventilator abstellen und schnell weiterfahren.

Bockig

Beim Schlendern durch die Innenstadt von Gävle fielen meinem innig geliebten Mitreisenden und mir diese Steinböcke auf. Steinböcke in Schweden, so fragten wir uns, gibt es das wirklich? Ich dachte bereits, unsere beiden vorlauten Steinböcke von Graubünden Tourismus hätte Konkurrenz bekommen, als sich das Rätsel entschlüsselte. Die besagten Böcke stellten eher Geiss- denn Steinböcke dar. Und die Geschichte dahinter habe ich einer Broschüre des lokalen Tourismusbüros entnommen:

In den Monaten Dezember und Januar steht auf dem Schlossplatz der höchste Strohbock der Welt. Der gigantische Bock ist Gävles grösster Prominenter. Jedes Jahr im Dezember wird er neu aufgebaut und eingeweiht. Der Strohbock ist 13 Meter hoch, 7 Meter lang und wiegt 3 Tonnen. 1966 wurde der Bock zum ersten Mal aufgestellt und 1985 ist Gävles Strohbock in das Guiness Rekordbuch eingetragen worden.

Was es nicht alles gibt.

Die Böcke erinnern stark an die Sommeraktionen in der Stadt Zürich mit bemalten Kühen, Blumentöpfen, Teddybären, Löwen und was es sonst im Verlauf der Jahre noch gab.

Inga Lindström im Regen

Kennt ihr die Filme von Inga Lindström? Das Pendant zu Rosamunde-Pilcher-Herzschmerz und statt in Südwestengland in Schweden spielend. Herrliche Schärenküste, winzige Inselchen, Badehäuschen, dümpelnde Segelboote vor malerischer Kulisse. Und natürlich immer schönes Wetter und Temperaturen so schweisstreibend, dass die Darsteller sich dauernd zwecks regiemässig verordneter Abkühlung ins Wasser stürzen.

An der Ostküste Schwedens, nördlich von Stockholm, kam bei uns für einige Stunden ein gewisses Inga-Lindström-Gefühl auf. Das war wohl der schwedische Sommer 2012. Beinahe drei Tage ohne einen Tropfen Regen. Denn seither sind die Temperaturen am Sinken als wäre es schon September und der Regen ist unser ständiger Begleiter. Wie gerne würden wir unsere Velos ausführen, ohne schon nach den ersten zehn Kilometer die ersten Tropfen zu spüren. Auch wandern ohne Regenjacke wäre wieder einmal angebracht. Wir würden es sogar in Kauf nehmen, dass uns der eine oder andere Schnaag um die Ohren surrt, wenn wir mitten in einem blauen Meer von reifen Heidelbeeren stehen.

Mangels geeigneter Outdoor-Möglichkeiten haben zur Abwechslung mal eine Prise Kultur genossen und Julita Gård besucht. Das alte Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert liegt malerisch oberhalb eines Sees. Zum Museumsgelände gehören viel Umschwung und diverse Gebäude wie Molkerei, Feuerwehrhaus, Kutscherhaus, Kirche, Windmühle etc. Ausserdem wird hier eine Gendatenbank für120 alte schwedische Apfelsorten und weiteres Obst geführt sowie für Pfingstrosen und Rhabarber. Es wehte ein giftig kühler Wind, als wir durch die weitläufige Anlage spazierten und schauten, was es zu schauen gab. Leider gibt es zwar grossspurig einen Prospekt auf Deutsch, aber die einzelnen Exponate sind nur auf Schwedisch erläutert. Im Traktoren-Museum stehen unter anderem Traktoren aus den 30-er Jahren. Für einmal war selbst mein innig geliebter Mitreisender fasziniert von den ausgestellten Objekten! Und es bedurfte keiner Übersetzung.

Der viele Regen bringt massenhaft Pilze hervor. Wenn man dieser Tage einen Korb voll Pilze sammeln will, muss man sich nur etwas weit aus dem Fenster lehnen. Denn die Eierschwämmli (Pfifferlinge) wachsen regelrecht im Strassengraben. Dies hat – wie wir heute auf dem Markt feststellen konnten – zur Folge, dass ein krasses Überangebot an den bei uns so begehrten Pilzen besteht. Hier sind es vorwiegend Asiaten, die an behelfsmässigen Marktständen ihr Sammelgut zu Schleuderpreisen verkaufen. Aus grossen Eimern werden – ohne Waage – Plastikkörbchen mit Pilzen abgefüllt. Schätzungsweise 300 Gramm Eierschwämmli für umgerechnet 6 Franken.

Statt immer nur übers Wetter zu futtern, muss man auch mal das Positive erläutern: So ein schwedischer Sommer ist extrem hautschonend. Und budgetfreundlich obendrein, denn der Ausgabenposten „Sonnencreme“ birgt ein nie geahntes Sparpotential.

Das Flohnmobil und der Elchtest

Es muss an dieser Stelle einmal klar gesagt sein: Auch wenn hier regelmässig von meinem innig geliebten Mitreisenden die Rede ist, die eigentlich Mitreisende bin ich. Denn mein angestammter Platz ist der Beifahrersitz, während es unbestritten der Mitreisende ist, der das Steuer fest in der Hand hält.

Der Fahrstil der Schweden, so der Mitreisende, ist sehr angenehm. Kein Hupen an der Kreuzung, wenn man mal nicht sofort losdonnert (was bei einem Womi sowieso nicht geht). Kein Pneu Aufwärmen hinter uns her, bis endlich überholt werden kann. Im Gegenteil, der Mitreisende, der meist knapp unter dem vorgegebenen Tempolimit durch die Landschaft gondelt, beobachtet laufend im Rückspiegel, wie Autos zwar von hinten her auffahren, dann aber in gebührendem Abstand hinter uns bleiben. Das Gehabe, wie wir es sonst kennen, dass so eine schlappe Wohngondel um jeden Preis überholt werden muss, ist hier nicht verbreitet. Die Schweden sind auch sehr gesittete Parkierer. Wenn man da an Italien denkt, wo zwei- oder gar dreispuriges Parkieren an der Tagesordnung ist.

Man kann sich fast so gut wie bei uns darauf verlassen, dass die Wikinger am Fussgängerstreifen anhalten. Wenn man diesem Volke der grundsoliden, anständigen Automobilisten etwas anhaben kann, dann höchstens, dass sie es mit dem Blinken ziemlich grosszügig nehmen.

Was mich allerdings am meisten wundert in diesem fortschrittlichen Land: Hier darf noch ohne Freisprecheinrichtung am Steuer telefoniert werden. Und davon machen die Schweden – Weltmeister im Telefonieren – häufig Gebrauch.

Auf Mäuse-Pirsch

Natürlich wollten wir auch so eine Maus sehen. Schliesslich spricht hierzulande jeder davon. Es gibt Maus-Safaris und Maus-Parks. Oder Maus-Pirscher wie beispielsweise mein innig geliebter Mitreisender und ich.

Wir begaben uns in den Halle-Hunneberg Ecopark, wo angeblich die grösste Mäusedichte ganz Schwedens sein soll. Schon beim Fahren in den Park schauten wir intensiv durch die Gegend. Ja schliesslich könnte hinter jedem Baum so eine Maus stehen, mit etwas Glück sogar mitten auf der Strasse! Wir tippelten eine Wanderung ab, unser Blick schweifte unablässig hin und her. Das ist ja schlimmer als beim Pilze sammeln, schoss es mir durch den Kopf. Wir kehrten unverrichteter Dinge zum Auto zurück. Die Mäuse waren wohl heute nicht in der Stimmung für eine Prozession.

Wenige Tage später entdeckten wir auf einer Wanderung eine Maus-Spur. Immerhin hatten wir nun den Beweis, dass es Mäuse gab in diesem Land. Wir fanden nicht nur ihre Spuren, sondern auch ihre Hinterlassenschaften. Doch dabei blieb es vorderhand.

Bis zu dem denkwürdigen Tag, als der Mitreisende vom Velo aus etwas stehen sah. War es ein Holzgerüst?

Oder etwa doch…? Bildeten wir es uns bloss ein, oder bewegte sich das Holzgerüst ein wenig? Ich holte das Äusserste aus meiner bescheidenen fotografischen Apparatur heraus und machte ein Bild. Erst im Womi am Notebook dann die freudige Überraschung: Wir hatten tatsächlich eine Maus gesehen! Nicht durch einen Teich schwimmend wie seinerzeit in Alaska. Nicht als Verkehrshindernis oder an einem Waldrand, wie wir es am ehesten erwartet hätten. Nein, einfach mitten in einer Wiese.

Muus – Maus – Moose – Älg – Elch

Ein männliches Tier mit noch kleinem Geweih.

… und sollten wir wider Erwarten nochmals so eine Maus zu Gesicht bekommen, werde ich das selbstverständlich in diesem Blog für die Nachwelt festhalten.