Die ominösen drei Monate

Nach drei Monaten, da gehe es erst so richtig los, beschied man mir von verschiedener, wohlwissender Seite. Nach drei Monaten, da sei die Schonzeit abgelaufen. In den ersten drei Monaten würden sich alle rührend um einen kümmern. Sie würden anrufen, sich erkundigen, wie es einem geht, würden einem zum Kaffee, für ein Essen oder einen Spaziergang einladen. Doch danach herrsche für Freunde und Bekannte wieder der Normalfall. Und ein Grossteil der administrativen Arbeiten im Zusammenfall mit dem Todesfall sei erledigt. Und dann, erst dann, beginne für einen selber das grosse Loch.

Das wäre nach dieser Zeitrechnung jetzt. Es sind gut drei Monate vergangen, seit mein über alles geliebter Mann gestorben ist. Tatsächlich, bisher habe ich mich stets gut beschäftigen und ablenken können. Ich war zwar alleine, aber nicht allzu oft. Indes habe ich nie mit den Händen im Schoss gewartet, bis mich jemand auf einen Kaffee eingeladen hat, ich bin häufig selber vorgeprescht. Habe gar “schon” wenige Tage nach der Beerdigung erstmals Besuch eingeladen, wie man mir mitunter missbilligend attestiert hat.

Ich habe vor wenigen Tagen das Wohnzimmer frisch streichen lassen. Damit habe ich lediglich zu Ende geführt, was mein Mann und ich für diesen Herbst angedacht hatten. Ich leiste mir kleine Freuden. Sei es ein Besuch im Theater, ein gutes Stück Fleisch, ganz gediegen und alleine einen Aperitif, wenn mir der Sinn danach steht, oder ein neues Paar Schuhe.

Meine Telefonrechnung hätte galaktische Ausmasse angenommen, hätte ich nicht vor Monaten schon eine Flat Rate eingebaut. Ich habe mich nicht daheim verkrochen, sondern bin unter die Leute gegangen. Bin auf Freunde und Bekannte zu gegangen. Ich glaube, das hat ihnen einen unverkrampfteren Umgang mit mir und meiner neuen Situation ermöglicht, als wenn ich ständig mit verweintem Gesicht durch die Gegend gelaufen wäre.

All das heisst nicht, dass ich nicht trauern würde. Um den geliebten Menschen, um das Leben, das nie mehr sein wird, wie es war. Wieso habe ich eigentlich ständig das Gefühl, mich für mein Tun rechtfertigen zu müssen?

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20 Gedanken zu “Die ominösen drei Monate

  1. Liebe Bea
    Du machst doch alles richtig und musst dich überhaupt nicht rechtfertigen. Ich finde es toll, dass du unermüdlich auf die Leute zugehst, du machst es ihnen bestimmt einfacher so (jedenfalls ich würde das so empfinden). Man kann es niemals allen Menschen Recht machen, das habe ich im Umgang mit unseren Campern mühsam lernen müssen. Eine gesunde Portion Egoismus gehört dazu – jetzt erst recht! Herzliche Grüsse
    Anita

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  2. Liebe Bea,
    so sehe ich es auch, du musst dich nicht rechtfertigen.
    Ich bin froh, dass es deinen Blog noch gibt, wo du ab und zu erzählst, was du so machst,
    besser gesagt, dass du was machst, und dich nicht verkriechst.
    Du machst alles richtig. Es ist Dein Leben.
    Ganz liebe Grüße
    Gine

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  3. Ich hab dich bewundert wie du das alles meisterst, dass du wandern gehst, dass du reist…. Niemand darf dir absprechen, dass du trauerst, jeder macht es anders, und jeder so wie er es braucht. Es gibt Menschen die sich verkriechen und andere die im Tun die Bewältigung finden. Du machst das gut. Liebe grüße Katrin

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    • Nein, verkriechen ist wirklich nicht meine Art. Aber wenn du mich noch vor dem Tod meines Mannes gefragt hättest, wie ich mal rauskomme, hätte ich mich auch eher als weinendes Häufchen Elend im Sofaeckchen gesehen. In der jetztigen Rolle fühle ich mich aber wesentlich wohler.
      Grüessli
      Bea

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  4. Vor 3 Monaten habe ich nichts geschrieben und auch nicht all die Zeit danach, aber als ich las, dass Ihr Mann gestorben ist, tat mir das sehr leid. Der Tod macht manchmal stumm.
    Ich glaube nicht, dass Sie sich rechtfertigen müssen und Trauer erlebt jeder anders. Ich denke mal, Sie kümmern sich um sich selbst und das ist gut.

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    • Danke, Zoé, meine Trauer hat nicht erst mit dem Tod meines Mannes eingesetzt, er war vier Monate lang schwer krank und ich konnte mich auf sein Ende vorbereiten. Dass niemand weiss, was dann wirklich ist, muss ich dir sicher nicht erläutern. Und dass ich nun so bin, wie ich bin, hätte ich selber von mir am wenigsten gedacht. Aber so bin ich für mich selber zu ertragen.
      Grüessli
      Bea

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  5. Ich habe,
    liebe Bea,
    weder den Eindruck noch das Gefühl, dass du dich rechtfertigst dafür, w i e du das Leben nach dem Tod deines geliebten Mannes lebst.
    Du findest einfach Worte um zu beschreiben, w a s du aktiv machst und unternimmst und wie du in die persönliche Begegnung gehst.
    Mich beeindruckt und berührt das!

    Hausfrau Hanna

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    • Liebe Hausfrau Hanna, ganz so beeindruckt von mir selber bin ich nicht. Ich mache mir zu viel Gedanken, was andere von mir halten, wie ich in deren Augen nach drei Monaten sein sollte. Aber insgesamt fühle ich mich wohl bei dem, was ich tue. Und ertrage mich und meine neue Situation so besser.
      Grüessli
      Bea

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  6. Wieso hast du dieses Gefühl?
    Du musst dich nicht vor und bei keinem rechtfertigen, warum auch?
    Es ist dein Leben, du hast deinen geliebten Mann verloren und nur du weißt, wie du damit am besten umgehen kannst. Niemand sonst!
    Sei einfach du selbst. Trauere, wenn es für dich gut ist und gehe unter Leute, wenn du es brauchst, du bist niemanden Rechenschaft schuldig.
    Liebe Grüße, Roswitha

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